S4#4 Herausforderungen des Kriegsjournalismus (zu Gast Sophie von der Tann)
Shownotes
Krisenjournalismus und Kriegsberichterstattung sind in den vergangenen Jahren intensiver und unverzichtbarer geworden. In dieser Episode der Innovation Minutes spricht Host Sabrina Harper mit der mehrfach preisgekrönten Kriegs- und Krisenreporterin Sophie von der Tann über die einzigartigen Herausforderungen und ethischen Fragen in diesem Metier. Sophie gewährt Einblicke in die handwerkliche Arbeit, wie die sorgfältige Kuration von Informationen aus unsicheren Quellen und die Aufrechterhaltung von journalistischer Objektivität. Sie spricht auch offen über die zwischenmenschlichen und persönlichen Herausforderungen, die das Leben und Arbeiten in Krisen- und Kriegsgebieten mit sich bringt.
Was Du hast auch Lust auf Medien oder möchtest eine spannende Innovation vorstellen? Dann besuche uns auf https://www.media-lab.de/de/ und schreib uns!
Transkript anzeigen
00:00:00: Die Gefährdungslage kann sehr unterschiedlich sein,
00:00:03: abhängig davon, wo auf diesem sehr kleinen Gebiet man sich bewegt.
00:00:07: Norden Israel, je näher man an die Grenze zum Libanon kommt,
00:00:10: kann das sehr gefährlich sein,
00:00:12: weil man kaum Zeit hat, sich in Sicherheit zu bringen,
00:00:15: in einem Bunker zum Beispiel.
00:00:17: In Tel Aviv habe ich relativ viel Zeit,
00:00:19: und da ist es auch nicht so oft.
00:00:21: Und deswegen geht das Leben da relativ normal weiter.
00:00:24: Echte Insights aus der Medienbranche.
00:00:27: Hier sind deine Innovation Minutes, direkt aus dem Media Lab Bayern.
00:00:32: Hallo bei den Innovation Minutes.
00:00:33: Ich bin's wie immer, deine Host Sabrina Harper.
00:00:36: Ich freu mich heute total auf den Gast.
00:00:39: Es ist nämlich Sophie von der TAN.
00:00:41: Man hat einiges von ihr gehört in letzter Zeit.
00:00:44: Sie hat Preise gewonnen, das ist das Gute.
00:00:47: Freut mich auf jeden Fall total,
00:00:48: dass das Thema Krisen und Kriegsjournalismus mehr in den Fokus rückt.
00:00:52: Aber das beinhaltet eben auch das andere,
00:00:55: nämlich sie ist auch viel zu sehen im Zuge des Konflikts
00:01:00: und des Krieges in Israel, Gaza, Libanon, in diesem ganzen Bereich.
00:01:05: Und versorgt uns da immer mit Informationen.
00:01:09: Liebe Sophie, ich freu mich sehr,
00:01:11: dass du heute wirklich tatsächlich mir gegenüber sitzt.
00:01:14: Danke für die Einladung.
00:01:15: Deine Arbeit ist super, super wertvoll.
00:01:18: Hast du sehr oft wahrscheinlich in letzter Zeit gehört.
00:01:21: Ich möchte es aber trotzdem noch mal sagen,
00:01:23: weil es ist ein sehr wichtiges Thema
00:01:26: und es ist aber auch kein einfaches Thema.
00:01:28: Auf deinen Schultern liegt das quasi immer, das rüberzubringen.
00:01:32: Und das sind eben meistens keine guten Nachrichten, die du dabei hast.
00:01:36: Und deswegen würde mich erst einmal interessieren,
00:01:38: Kriegs- und Krisenjournalismus ist jetzt etwas.
00:01:41: Vor ein paar Jahren hätte man darüber wahrscheinlich noch nicht
00:01:45: so stark berichtet, wie das jetzt eben in unserer Gesellschaft stattfindet.
00:01:49: Hast du auch den Eindruck,
00:01:51: dass diese Art von Journalismus relevanter geworden ist
00:01:55: oder mehr in den Fokus gerückt ist?
00:01:57: Ich glaube, man hat so den Eindruck, dass das zugenommen hat,
00:02:02: weil in den letzten Jahren durch den Ukrainekrieg,
00:02:07: durch den Krieg im Gaserstreifen, 7. Oktober, jetzt auch Libanon,
00:02:11: Kriege und Krisen sehr viel präsenter in unseren Nachrichten sind.
00:02:16: Allerdings muss man auch dazu sagen, es gab auch davor
00:02:20: und gibt nach wie vor auch an anderen Orten Kriege, Krisen, Konflikte,
00:02:24: über die, kann man auch sagen, viel zu wenig berichtet wird,
00:02:28: die in unseren Nachrichten einfach nicht so stattfinden.
00:02:31: Und dass man halt eher in die eine Richtung schaut
00:02:36: oder dort, wo es ein mehr unmittelbarer betrifft,
00:02:38: wenn man jetzt in die Ukraine guckt, weil es halt in Europa ist,
00:02:42: als Wandersinn.
00:02:43: Und das ist auch was, was man durchaus mal hinterfragen kann.
00:02:47: Worüber wird eigentlich wie viel berichtet?
00:02:50: Da schneidest du schon was an, da hatte ich direkten Gedanken dazu.
00:02:53: Ich musste direkt an den Iran denken.
00:02:55: Zum Beispiel, der ganz kurz im Fokus war
00:02:57: oder an Afghanistan als Kabul eingenommen wurde.
00:03:01: Da war das auch ganz stark.
00:03:03: Und das sind jetzt zum Beispiel Themen,
00:03:05: über die hört man jetzt eigentlich nicht so in den Hauptnachrichten,
00:03:09: sondern der Fokus ist jetzt wirklich so in Israel und in der Ukraine.
00:03:13: Und man hört ja auch schon, dass öfteren die Ukraine
00:03:16: so ein bisschen Angst nicht mehr genug gesehen zu werden.
00:03:19: Du als Berichterstatterin, was macht denn für dich
00:03:24: eine gute journalistische Berichterstattung
00:03:27: in dieser Fachrichtung Kriegs- und Krisenschonalismus aus?
00:03:31: Also vielleicht jetzt nicht so die Aspekte seriös, Fakten treue.
00:03:36: Ich glaube, das ist uns alles klar.
00:03:38: Aber um was geht es dir auch, wenn du hingehst
00:03:41: und über etwas berichtet?
00:03:43: Also ich würde nicht sagen, dass ich da jetzt
00:03:46: die ultimative Antwort darauf habe,
00:03:48: weil ich glaube, es ist ein totaler Lernprozess.
00:03:50: Und jeden Tag lernt man irgendwas Neues
00:03:52: und fragt sich, hätte man das anders machen können
00:03:55: oder jenes noch erwähnen müssen.
00:03:57: Ich versuche, Geschichten von Menschen zu erzählen,
00:04:03: die ich versuche, zu verstehen.
00:04:05: Versuche nachzuvollziehen, warum denken, handeln Menschen so,
00:04:08: wie sie es tun, was sind ihre Schicksale.
00:04:12: Und das so einem Publikum zu berichten, dass man es versteht,
00:04:18: das klingt so banal.
00:04:21: Aber ich glaube, man darf nicht unterschätzen
00:04:24: in dieser wahnsinnigen Komplexität.
00:04:26: Ist es gar nicht so leicht, Dinge mal so zu erklären
00:04:30: oder darzustellen, dass man auch wirklich nachvollziehen kann,
00:04:33: was da eigentlich los ist, weil man kann sich sehr schnell
00:04:34: hinter Fachbegriffen verstecken und Dinge voraussetzen.
00:04:39: Und da kann man die Latte manchmal gar nicht tief genug setzen,
00:04:44: weil es einfach so wahnsinnig kompliziert ist.
00:04:48: Das ist ja auch dieses Thema Nachrichtenmüdigkeit,
00:04:50: was du da so ein bisschen angeschnitten hast.
00:04:53: Indirekt.
00:04:54: Leute fühlen sich oft überfordert von den Inhalten
00:04:57: oder es ist einfach zu viel Bad News.
00:05:00: Wie geht es dir damit mit diesem Phänomen?
00:05:02: Nachrichtenmüdigkeit, hast du dich damit auch
00:05:04: schon auseinandergesetzt?
00:05:06: Ich glaube, das ist ein Riesenproblem.
00:05:08: Ich merke das zum Beispiel an mir selbst,
00:05:10: wenn es um Klimakrise geht, dass ich nicht mehr die Energie hab,
00:05:16: da alle Nachrichten durchzulesen.
00:05:19: Und oft, wenn ich irgendein Artikel sehe,
00:05:22: wo es wieder heißt, irgendwie höchste Temperaturen
00:05:26: oder dies und jenes droht, dass ich das wegswalpe,
00:05:30: weil ich Angst vor hab.
00:05:32: Ich hab Angst vor dem, was uns da bevorsteht.
00:05:36: Und irgendwie nicht die Kraft hab,
00:05:38: mich in der Situation damit auseinanderzusetzen.
00:05:40: Jetzt könnte ich sagen, ja, ich hab schon so viel Land aus Leid,
00:05:44: mit dem ich mich jeden Tag beschäftige.
00:05:46: Könnte ich jetzt als Ausrede nehmen.
00:05:48: Eigentlich hab ich natürlich keine Ausrede,
00:05:50: weil man muss sich damit auseinandersetzen.
00:05:52: Aber so geht's mir halt.
00:05:53: Und ich glaube, so geht es vielen Menschen mit unterschiedlichen Themen.
00:05:56: Und gerade bei unserem Thema natürlich,
00:05:59: höre ich das total oft, dass Leute sagen,
00:06:01: ich hab nicht mehr die Kraft, mir diese Bilder,
00:06:03: die ganze Zeit anzuschauen.
00:06:06: Man stumpft auch ab, wenn man das immer wieder sieht.
00:06:09: Und trotzdem muss man sich dann mit natürlich beschäftigen.
00:06:11: Und das ist eine Riesenherausforderung,
00:06:14: da irgendwie immer wieder neue Wege zu finden,
00:06:17: darüber so zu berichten, dass Menschen sich das anschauen
00:06:20: und da irgendwas hängen bleibt und man sich dafür auch interessiert.
00:06:23: Ich hab im Kontext auf die Anschläge jetzt im Libanon gehört.
00:06:28: So eine leise Medienkritik,
00:06:30: dass es auch nicht förderlich ist, immer zu berichten.
00:06:34: Israel hat irgendeinen Hisbollahchef getötet.
00:06:39: Und das ist die Nachricht.
00:06:41: Und das aber Kollateralschäden.
00:06:43: Ich mache hier Anführungsstriche.
00:06:45: So hieß es in dieser Medienkritik.
00:06:47: Überhaupt nicht thematisiert werden,
00:06:49: sondern irgendein Chef wurde irgendwie ausgeschaltet,
00:06:53: was auch immer.
00:06:54: Und über die anderen im Libanon wird nicht berichtet.
00:06:57: Und das sei kein guter Journalismus.
00:07:00: Würdest du da mitgehen oder sagst du,
00:07:03: nee, man kann eben nur diesen Kontext zeigen.
00:07:06: Und das ist sowieso ein schwieriges Thema.
00:07:08: Möchte ich gleich mit vorweggeben,
00:07:10: weil Verifikation und so was steht da ja auch noch mal im Raum.
00:07:14: Also, ich weiß nicht, worauf sich das jetzt konkret bezieht,
00:07:17: ob das einen konkreten Beitrag oder so.
00:07:20: Darum geht, das weiß ich nicht.
00:07:21: Aber grundsätzlich muss man natürlich
00:07:24: die ganze Geschichte sich anschauen.
00:07:26: Und muss Dinge überprüfen.
00:07:29: Und wenn eine Kriegspartei XY sagt,
00:07:33: muss man als Allerminstes kändlich machen,
00:07:37: dass das von Informationen sind von der Kriegspartei
00:07:39: und ob man die überprüfen kann oder nicht.
00:07:42: Und natürlich auch den Impact davon thematisieren.
00:07:47: Das tun wir auch in unserer Berichterstattung.
00:07:49: Soweit wir das eben können.
00:07:50: Aber wir stehen vor der enormen Herausforderung,
00:07:53: dass wir auch oft Dinge nicht abschließend überprüfen können.
00:07:58: Und das größte Problem in der Hinsicht ist,
00:08:00: dass wir selbst nicht in den Gassastreifen
00:08:02: reingelassen werden von Israel aus, von Ägypten aus.
00:08:05: Seit einem Jahr, da kann Zugang haben,
00:08:07: nicht unabhängig berichten können.
00:08:09: Der einzige Weg rein ist embedded mit dem israelischen Militär.
00:08:11: Das ist selten.
00:08:13: Dann entscheiden die auch, was man sieht, wo man hinfährt.
00:08:16: Man kann sich da nicht frei bewegen
00:08:18: und irgendwie mit Menschen so sprechen, Zivilbevölkerung.
00:08:21: Das geht nicht.
00:08:22: Und das ist eine totale Anschränkung unserer Arbeit.
00:08:26: Wir arbeiten deswegen natürlich auch viel
00:08:29: mit lokalen Journalisten vor Ort zusammen,
00:08:31: die einen unglaublich wichtigen und sehr, sehr,
00:08:33: sehr gefährlichen Job dort machen.
00:08:37: Aber natürlich wäre es wichtig, dass wir auch da selbst hin können.
00:08:39: Auch die können sich ja nicht überall frei bewegen,
00:08:42: allein schon wegen der Sicherheitssituation.
00:08:45: Und das macht Berichterstattung sehr schwer.
00:08:48: Wie geht es dir, wenn du in so einer gefährlichen Situation
00:08:52: unterwegs bist?
00:08:53: Also, ich kann mir das gar nicht vorstellen.
00:08:55: Ich bin dort, da geht ein Alarm an.
00:08:57: Ich muss irgendwie in einen Bunkereien, in den Keller.
00:09:01: Irgendwie muss ich aber auch berichten.
00:09:02: Ich hab da diese Schalte, wird die dann verschoben?
00:09:05: Ich hab da überhaupt keine Ahnung, wie das läuft.
00:09:08: Kannst du mir da mal so ein bisschen erzählen,
00:09:10: wie ich mir das vorstellen muss?
00:09:12: Das kommt total auf an, wo man ist.
00:09:13: Das muss man immer wieder dazu sagen.
00:09:15: Die Gefährdungslage kann sehr unterschiedlich sein.
00:09:19: Abhängig davon, wo auf diesem sehr kleinen Gebiet man sich bewegt.
00:09:23: Also, wenn man jetzt mal schaut, Norden Israel,
00:09:26: je näher man an die Grenze zum Libanon kommt,
00:09:28: wo mittlerweile fast Dauerbeschluss durch die Herrs Boller ist,
00:09:32: kann das sehr gefährlich sein, weil man kaum Zeit hat,
00:09:35: bei Angriffen sich in Sicherheit zu bringen,
00:09:38: in einem Bunker zum Beispiel.
00:09:40: Dann, je weiter man davon weg ist, desto mehr Zeit hat man.
00:09:44: Also, in Tel Aviv hab ich relativ viel Zeit,
00:09:47: und da ist es auch nicht so oft.
00:09:49: Und deswegen, das kann man sich vielleicht manchmal kaum vorstellen,
00:09:52: aber da geht das Leben da relativ normal weiter.
00:09:55: Straßen sind voll, Cafes, Restaurants,
00:09:57: man kann aber auch in eine Tanzen gehen.
00:09:59: So, was manchmal ein Kontrast ist, der auch für mich krass ist,
00:10:04: zwischen den unterschiedlichen Lebensrealitäten.
00:10:07: Und wenn man sich dann überlegt, 70 km weiter südlich im Gaserstreifen,
00:10:10: da gibt es keinen sicheren Ort für die Menschen.
00:10:13: Da gibt es keine Bunker, so wie ich das habe,
00:10:15: wo man Schutz suchen kann.
00:10:17: Da gibt es kein Raketenabwehrsystem,
00:10:20: so wie ich das habe für die Zivilbevölkerung.
00:10:22: Die kann sich da nicht so schützen, wie wir uns schützen können.
00:10:26: Das sind extrem unterschiedliche Lebensrealitäten auf Angst im Raum.
00:10:29: Ich find das auch total krass, wenn du das gerade erzählst,
00:10:33: die haben kein Raketenabwehrsystem, so wie wir das haben in Tel Aviv.
00:10:37: Also, wenn ich mir das hier vorstelle in München,
00:10:40: dass das ein Punkt ist, das zeigt schon wie anders,
00:10:45: also wie verschoben das ist, wie die Perspektive.
00:10:48: Bei mir geht da total die Perspektive auf.
00:10:51: Ja, und dadurch kommt natürlich auch so ein ganz anderes Sicherheitsgefühl.
00:10:57: Wir haben darüber gesprochen, nach dem Angriff vom Iran,
00:11:01: jetzt vor Kurzem,
00:11:03: als da fast 200 Raketen vom Iran auf Israel abgefeuert wurden.
00:11:08: Das war, das gab's vorher noch nicht in der ...
00:11:10: Es gab schon mal einen Iran-Angriff,
00:11:13: aber das war jetzt noch mal deutlich drastischer.
00:11:16: Und dank dieses extrem guten Abwehrsystems
00:11:19: gab's kaum Schäden im Vergleich zu dem, was da abgefeuert wurde.
00:11:26: Und das führt zu so einem ganz verrückten Gefühl.
00:11:31: Ich hab mich mit Israelis unterhalten, die meinten,
00:11:34: das ist ja Wahnsinn, wir hatten einen Iran-Angriff,
00:11:37: aber wir fühlen uns relativ sicher.
00:11:40: Weil man diese Abwehrmechanismen hat,
00:11:42: aber dann ist natürlich immer die Frage,
00:11:44: wann die intensivere Angriffe abwehren.
00:11:48: Und da schwingt natürlich schon eine Angst mit,
00:11:51: was da noch so kommen könnte,
00:11:54: wie die Situation weiter eskalieren könnte.
00:11:56: Wie schaffst du es, trotz dieser ganzen Emotionen
00:12:00: und dieser ganzen Situation professionell zu bleiben
00:12:04: und in einer Minute dein Ding on point in die Nachrichten zu bekommen?
00:12:10: Ich glaub, was mir total hilft, ist der Austausch mit Kollegen.
00:12:14: Und mal irgendwie sich noch mal zu vergewissern
00:12:18: bei einem Kollegen und nachzufragen,
00:12:20: komm mal, findest du, das macht Sinn.
00:12:22: Kann man das so sagen? Hab ich fast vergessen?
00:12:25: Muss ich vielleicht noch irgendwie dies oder jenes erwähnen?
00:12:28: Oder das irgendwie anders formulieren?
00:12:31: Das ist für mich total wichtig,
00:12:33: das Bearing-Partner zu haben und sich auszutauschen.
00:12:35: Da auch mit unterschiedlichen Leuten zu sprechen,
00:12:38: also mit unseren israelischen Produzern,
00:12:40: also die Ortskräfte, die uns bei der Berichterstattung unterstützen
00:12:44: und die Sprachen sprechen und Kontakt haben usw.
00:12:46: Mit denen zu sprechen, deren Perspektive noch mal zu hören,
00:12:50: was die vielleicht gelesen haben und wie die das einschätzen,
00:12:54: dann mit denen in den Gazastreifen, mit denen wir zusammenarbeiten.
00:12:58: Und sich dadurch irgendwie so ein Mosaik zu bilden.
00:13:02: Klar, dann ist die große Herausforderung,
00:13:05: dass man das Ganze in eine Minute oder anderthalb Minute eindampfen muss.
00:13:10: Und ich versuch's, mir so gut das Ganze machen.
00:13:15: Aber oft denke ich mir danach, hätte man noch, hätte man noch.
00:13:20: Ich glaub, das wird nicht ausgehen in meinem Kopf.
00:13:23: Gibt es ein konkretes Beispiel oder eine konkrete Situation,
00:13:27: wo du zurückblickst und denkst, da hätte ich irgendwie es
00:13:30: doch ein bisschen anders machen können?
00:13:33: Oder da würde ich es heutzutage mit dem Wissen,
00:13:35: dass ich heute habe, anders machen?
00:13:38: Ja, im Nachhinein ist man immer schlauer.
00:13:42: Ich war im Mai 2023, also letztes Jahr, im Gaserstreifen.
00:13:46: Und wir waren dafür ein Podcast.
00:13:49: Es sollte um eine Boxerin gehen.
00:13:51: Und wir hatten das Interview gemacht.
00:13:54: Und dann mitten in der Nacht kriegen wir auf einmal die Nachricht,
00:13:57: dass es israelische Militär gezielte Tötungen vorgenommen hat
00:14:02: von Anführern vom islamischen Jihad und Grenzendicht.
00:14:06: Und dann kamen wir da nicht mehr raus zum Gaserstreifen
00:14:10: und waren dann erst mal eine Woche da.
00:14:12: Und dann ist die Situation da auch etwas eskaliert.
00:14:15: Es gab dann Raketenangriffe vom islamischen Jihad
00:14:19: aus Richtung Israel und wiederum luftangriffe,
00:14:25: israelische Luftangriffe.
00:14:27: Und ich hab dann von dort aus geschaltet, so live schalten gemacht.
00:14:31: Und es war, wie gesagt, der islamische Jihad.
00:14:34: Andere militante Gruppierung als die Hamas.
00:14:37: Und da ich so in den Schalten gesagt,
00:14:40: der Experten, weil dann immer wieder die Nachfrage kam,
00:14:43: kann das jetzt irgendwie noch weiter eskalieren.
00:14:46: Und danach hat so die gängige Expertenmeinung zitiert,
00:14:50: immerhin zitiert, und gesagt,
00:14:52: viele Beobachter und Experten gehen davon aus,
00:14:55: dass die Hamas kein Interesse hat an einer großen Eskalation,
00:14:58: sondern, weil sie weiß, was sie zu verlieren hat
00:15:01: und den Gaserstreifen regieren wird, da, da, da.
00:15:04: Und das war halt die herrschende Meinung.
00:15:07: Und die hab ich, also da bin ich froh,
00:15:10: dass ich das nicht als meine Meinung ausgegeben hab,
00:15:13: sondern eben da Experten zitiert hab.
00:15:16: Aber das war ja genau die Fehleinschätzung,
00:15:19: wo dann am 7. Oktober oft einmal sehr deutlich wurde,
00:15:24: dass das überhaupt nicht der Fall war,
00:15:27: sondern dass die Hamas da im Stillen
00:15:29: einen brutalen Terrorangriff geplant hat.
00:15:33: Und das finde ich manchmal krass,
00:15:36: wenn ich darüber so nachdenke,
00:15:38: dass ich da ein halbes Jahr vorher noch stand
00:15:41: und die Einschätzung einfach so verdammt anders war.
00:15:45: Gut, man kann aber auch nicht in die Zukunft schauen.
00:15:48: Also das gleiche Thema hat man ja auch in der Ukraine mit der Krim.
00:15:52: Sagt man jetzt hier rückblickend,
00:15:54: oder hört man zumindest immer wieder,
00:15:57: hätte man vielleicht auch mal ahnen können,
00:16:00: wenn es damals mit der Krim war,
00:16:02: hätte man anders reagiert, und vielleicht wäre das heute anders.
00:16:05: Ja, schon viele waren das Stimmen.
00:16:07: Da hast du recht. - Ja, es gab warnende Stimmen,
00:16:11: aber man hat sich eben für diesen Weg entschieden, ausgründen.
00:16:14: Und jetzt sagt man rückblickend, nun ja,
00:16:18: ich finde, was man an diesem Punkt nie vergessen darf,
00:16:22: ist, hätte man es damals auch anders gesehen.
00:16:25: Also bei deinem Beispiel als auch jetzt bei meinem Beispiel,
00:16:28: dann wären wir aber auch woan ganz anders,
00:16:31: was wir auch eben nicht wissen können,
00:16:33: weil Zukunft ist eben nicht linear.
00:16:35: Und es gab ja auch in Israel warnende Stimmen.
00:16:38: Auch ich hab mal einen Beitrag gemacht über die Sperren.
00:16:43: Das ist eine Einheit bei Militär, das sind vor allen Dingen junge Frauen.
00:16:48: Die sitzen im Prinzip den ganzen Tag vorm Computer
00:16:52: und schauen sich an, was so an Videomaterial
00:16:56: von den Überwachungskameras, von den Drohnen und so weiter
00:17:00: aus dem Gasastreifen kommt.
00:17:01: Und die haben schon Monate vorher gewarnt,
00:17:04: da ist was im Busch, die Planenmasse,
00:17:06: die üben da Überfallszenarien.
00:17:09: Und die wurden einfach nicht ernst genommen.
00:17:11: Und da sieht man, was das macht und bedeutet am Ende,
00:17:16: wenn man eine Einschätzung hat.
00:17:19: Und trotz Informationen, die der widersprechen,
00:17:23: man das nicht wahrnimmt, war in dem Will vielleicht auch.
00:17:26: Und wie gefährlich das sein kann.
00:17:28: Du hast gerade das Beispiel genannt mit den Sperren.
00:17:32: Wenn man so darüber nachdenkt, man hätte gesagt,
00:17:35: es gibt aber auch noch diese Option oder jene Option,
00:17:38: wäre das dann eine klare Berichterstattung?
00:17:41: Oder würde das nicht den Zuschauenden total verwirren,
00:17:46: dass er eben nicht mehr mitkommt?
00:17:48: Da hat man ja auch ...
00:17:49: Ich denke, da ist es so ein bisschen sehr komplex,
00:17:52: aber ich denke mir auch in jeglicher Berichterstattung,
00:17:55: entscheidest du dich für bestimmte Perspektiven, die du reinbringst.
00:17:59: Und wenn du so gewisse Perspektiven draußen lest?
00:18:02: Ja, ich glaube, es sind immer Entscheidungen.
00:18:04: Aber man muss wahrscheinlich auch ein bisschen unterscheiden
00:18:08: zwischen Spekulation und einfach so ...
00:18:11: Ich spekuliere jetzt mal Wildrom.
00:18:13: Und kann eigentlich überhaupt nicht abschätzen, was passiert.
00:18:17: Und Sichtweisen, die auch mit Beobachtungen, Fakten
00:18:23: und Informationen eigentlich einhergehen,
00:18:28: da ist wahrscheinlich die Grenze dessen, was man mit reinnimmt.
00:18:32: Und wo man sagt, das ist mir jetzt zu wild,
00:18:35: das ist Spekulation, da steckt noch nicht so viel dahinter,
00:18:38: dass man das jetzt wirklich so in den Fokus rocken sollte.
00:18:42: Sophie, wie geht es dir persönlich?
00:18:44: Du bist dieses Gesicht jetzt für uns,
00:18:47: das berichtet von diesen Situationen.
00:18:50: Bekommst du da auch Feedback von den Menschen?
00:18:55: Weil wir haben hier in Deutschland auch Menschen,
00:18:58: die sich sehr stark dafür interessieren
00:19:00: und die vielleicht auf der einen oder anderen Seite stehen.
00:19:03: Ich mach hier Anführungsstriche.
00:19:06: Bekommst du da Feedback, bekommst du da was mit von?
00:19:09: Wir stehen natürlich sehr in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
00:19:14: Und gerade wenn man da auch mit seinem Gesicht so steht.
00:19:19: Und da bekommt man viele Reaktionen in alle möglichen Richtungen.
00:19:24: Auch viel über Social Media.
00:19:26: Sag mal, positivsten Fall, der aber leider nicht so oft ist,
00:19:30: ist das konstruktives Feedback.
00:19:32: Sehr viel häufiger ist Kritik,
00:19:37: die zum Teil aber auch unter die Gürtelinie geht.
00:19:40: Und ja, Twitter gerade, da sind manche Sachen dabei,
00:19:46: die lese ich mir gar nicht mehr durch, weil es einfach ...
00:19:50: Ja, das bringt nichts.
00:19:55: Und natürlich gibt es auch Versuche, uns zu beeinflussen.
00:19:59: Also auf die Berichterstattung durch öffentlichen Druck
00:20:03: Einfluss zu nehmen.
00:20:05: Und ich glaube, das ist sowieso die größte Herausforderung,
00:20:09: wenn man über diesen Konflikt berichtet,
00:20:11: dass so von allen Seiten irgendwie an einem gezerrt wird.
00:20:14: Und es viele verschiedene Blickwinkel gibt
00:20:18: und man irgendwie versuchen muss, da so durchzunavigieren.
00:20:22: Was hilft dir dabei oder was würdet ihr dabei helfen?
00:20:25: Ich glaube, auch da hilft für mich der Austausch
00:20:29: mit Kolleginnen und Kollegen, die ich sehr schätze,
00:20:32: deren Einschätzung und ich sehr wertschätze.
00:20:36: Und mich da noch mal rückzufersichern,
00:20:38: gemeinsam zu diskutieren, über irgendwas nachzudenken,
00:20:41: Zweifel zu teilen, das ist für mich unglaublich wichtig.
00:20:45: Und auch irgendwie noch mal von wohlwollenden Zuschauerinnen
00:20:52: und Zuhörern zu hören.
00:20:54: Zu hören hat man das jetzt verstanden, war das nachvollziehbar.
00:20:58: An sich bin ich ein großer Fan von Feedback.
00:21:02: Wir haben beide eine journalistische Ausbildung hinter uns.
00:21:06: Bei mir war das gar kein Thema Krisen und Kriegsjournalismus.
00:21:09: War das bei dir ein Thema oder wie hat sich das entwickelt?
00:21:13: Wie bist du dahin gekommen jetzt?
00:21:15: Also, ich hab damals im Rahmen des Volontariats
00:21:18: beim Bayerischen Rundfunk die Möglichkeit gehabt,
00:21:21: einen Monat in Israel zu verbringen in unserem Studio.
00:21:24: Und damals war schon die Regel,
00:21:26: dass man so ein Krisenreporter-Training machen musste.
00:21:31: Ich war da bei der Bundeswehr in Hammelburg.
00:21:34: Und eine Woche lang haben wir da unterschiedliche Szenarien,
00:21:37: trainiert auch so Entführungen und so was und Geiselnahme.
00:21:40: Und einfach nur, um das mal zumindest als Szenario
00:21:45: irgendwie erlebt zu haben.
00:21:47: Damals konnte ich mir natürlich nicht vorstellen,
00:21:50: in was für eine Situation ich da mal landen würde in Israel.
00:21:53: Und ich bin da jetzt und ich hingegangen mit der Idee,
00:21:57: ich werd mal Kriegsreporterin.
00:21:59: Und irgendwie kann ich mir das immer noch nicht ganz vorstellen,
00:22:03: dass ich das bin.
00:22:05: Weiß nicht.
00:22:07: Ich berichte ja auch über andere Dinge.
00:22:09: Und es ist jetzt nicht so, dass ich da jeden Tag mit dem Helm
00:22:12: und West herum renne.
00:22:14: Es ist halt irgendwie Teil meiner Realität geworden.
00:22:17: Ich hab dich das gefragt, weil ich mir zum Abschluss überlegt habe,
00:22:24: wir sind ja eingestiegen mit ...
00:22:26: Ist es relevanter geworden, Krisen- und Kriegsreporter,
00:22:30: Reporterin zu sein?
00:22:33: Jetzt so zum Abschluss, denkst du, es wäre was Sinnvolles.
00:22:37: Natürlich weißt du auch nicht, was die Zukunft bringt,
00:22:40: aber in der Zeit, in der wir heutzutage leben,
00:22:43: denkst du, es wäre wichtig, diesen Aspekt mehr
00:22:46: in die Ausbildung aufzunehmen.
00:22:49: Oder wenn man schon fortgeschritten ist,
00:22:52: das eben mehr in Redaktionen reinzutragen.
00:22:54: Weil es hat eben nicht jeder direkt einen Auslandskorrespondent,
00:22:58: eine Auslandskorrespondent hin vor Ort.
00:23:00: Und es sind Themen, über die jedes Medium spricht.
00:23:05: Also ich glaube, dass es total sinnvoll wäre,
00:23:08: dann noch gezielt dafür auszubilden.
00:23:11: Krisen-Training, das ist der erste Schritt,
00:23:15: das ist ein ganz kleiner Teil davon.
00:23:18: Und da noch in journalistischer Ausbildung
00:23:22: mehr Möglichkeiten zu haben, da gezielt, was zu lernen,
00:23:26: wie verhält man sich da, was ist die Herausforderung,
00:23:29: zwischen unterschiedlichen Kriegsparteien,
00:23:32: Informationen auszuwerten.
00:23:35: Und ich glaube, da kann man noch sehr viel mehr machen.
00:23:38: Gar keine Frage.
00:23:40: Und wahrscheinlich wird das auch ein Thema sein,
00:23:45: was uns leider weiter begleitet.
00:23:48: Und da werden Journalisten gebraucht.
00:23:53: Und Journalistinnen, um unabhängig zu berichten.
00:23:57: Trotz aller Herausforderungen.
00:23:59: Und ich glaube auch, was ich am Anfang gesagt habe,
00:24:02: dass wir uns trauen sollten, auch an andere Orte in der Welt zu blicken,
00:24:07: die vielleicht nicht so sehr am Fokus stehen,
00:24:10: und vielleicht viele sagen, was hat das mit mir zu tun?
00:24:13: Und trotzdem ist es auch wichtig, da zu sehen,
00:24:17: was mit Menschen passiert, welches Leid da herrscht,
00:24:20: wie aber auch Menschen irgendwie weiterleben trotz allem.
00:24:24: Das sind zum Beispiel Geschichten, die mich immer sehr berühren.
00:24:27: Irgendwo noch die Humanität, die Menschlichkeit in all dem zu sehen.
00:24:32: Ich wollte eine Geschichte machen, das vielleicht noch zum Schluss,
00:24:36: die leider nicht zustande gekommen ist,
00:24:38: und ich habe mich in den Wasser streifen.
00:24:41: Und da wollten wir eigentlich drehen.
00:24:43: Und die hatten sich darauf vorbereitet.
00:24:45: Und in den Trümmern ihres Hauses irgendwie versucht, das zu dekorieren.
00:24:50: Und dann war just an dem Tag wieder Evakuierungsaufruf,
00:24:53: Luftangriffe, und ja auch Zeit kam nicht zustande.
00:24:57: Leider hatten wir noch nicht gedreht,
00:24:59: sonst hätte man auch das erzählen können.
00:25:02: Wir sind da weiter nach wie vor dran, immer mal wieder in Kontakt.
00:25:06: Ja, das ist Leben im Krieg.
00:25:08: Sophie, ich sage vielen Dank,
00:25:12: dass du mit uns diese ganzen Geschichten geteilt hast.
00:25:15: Unsere bisschen hast reinschauen lassen,
00:25:18: wie das ist so bei dir und deiner Arbeit.
00:25:20: Danke dir für die Einladung.
00:25:22: (Dynamische Musik)
00:25:24: Nun ja, wir haben es alle gehört.
00:25:29: Es ist kein schönes Thema.
00:25:31: Ich finde, es macht diese Folge sehr, sehr besonders,
00:25:34: weil es gleichzeitig so wichtig ist.
00:25:36: Und wenn es zeigt, da kann ich Sophie nur wiederholen,
00:25:40: vielleicht auch mal dahin zu schauen, wo es nicht so schön ist.
00:25:44: Ich bin super dankbar, dass Sophie es hier in unsere Sendung geschafft hat.
00:25:49: Und ich wünsch ihr natürlich alles Gute.
00:25:51: Und ich wünsch euch, die ihr zugehört habt, alles Gute.
00:25:55: Und wie immer viel Erfolg bei allem, was du tust.
00:25:59: (Dynamische Musik)
00:26:01: Das waren deine Innovation-Minutes.
00:26:04: Direkt aus dem Medialeb Bayern.
00:26:06: Du willst mehr?
00:26:08: Dann besuch uns auf mediaminuslebb.de
00:26:10: und starte dein eigenes Projekt.
00:26:12: "Last but not least".
00:26:15: Dieser Podcast ist möglich,
00:26:16: weil wir tolle Unterstützer und Unterstützerinnen haben.
00:26:19: Besondere Dank geht an die Staatskanzlei Bayern,
00:26:22: die Bayerische Landeszentrale für neue Medien,
00:26:24: BLM und natürlich an meine Kollegen und Kolleginnen in der Medien Bayern.
00:26:29: [Musik]
Neuer Kommentar